In Japan sehen die Menschen den Darm als „geehrte Mitte“ oder „Zentrum der körperlichen und geistigen Kraft“ an. Hierzulande gilt er oft noch als reines Verdauungsorgan – und wird damit maßlos unterschätzt.
Die Bakterien im Darm, die unsere Darmflora ausmachen, tragen nicht nur zu einer gesunden Verdauung bei. Sie schützen uns auch vor Krankheiten und stärken das Immunsystem. Die Darmbakterien entscheiden mit, ob wir an Neurodermitis erkranken, eine entzündliche Darmerkrankung bekommen oder bestimmte Lebensmittel nicht vertragen.
Lesen Sie in diesem Artikel, wie Sie Ihre Darmgesundheit fördern können.
Kurzübersicht: Darmgesundheit
- Die Darmflora hängt mit dem Immunsystem und so mit unterschiedlichen Erkrankungen zusammen.
- Unser Alter, Geschlecht, genetische Veranlagungen und Medikamente beeinflussen, wie sich unsere Darmflora zusammensetzt.
- Der Darm ist dann gesund, wenn keine Darmkrankheiten, keine Nahrungsunverträglichkeiten oder -allergien, keine instabile Darmflora und keine hohe Infektanfälligkeit vorliegen. Blähungen, Verstopfung, Durchfall und Bauchschmerzen sind Anzeichen für Darmprobleme.
- Bewegung, wenig Stress, eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung sowie Probiotika sind gesund für den Darm.
Was ist die Aufgabe unseres Darms?
Der Darm ist mit einer Gesamtlänge von fünf bis 7,5 Meter das längste Organ im Körper. Der Darm ist ständig damit beschäftigt, Nahrung zu verarbeiten und Krankheitserreger abzuwehren. Die wichtigste Phase der Verdauung findet im umherschlängelnden Dünndarm statt. Er verdaut unsere Nahrung so lange, bis alle wichtigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe aufgenommen sind. Der Rest des Nahrungsbreis gelangt in den Dickdarm, von wo aus er ausgeschieden wird [2].
Wussten Sie schon? Von der Aufnahme im Mund bis zum Dickdarm verweilt das Essen fünf bis 70 Stunden in unserem Körper [3].
Doch gibt es eine weitere wichtige Aufgabe, die jahrelang unterschätzt wurde: das Immunsystem im Darm. Der Verdauungstrakt wehrt ständig Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilze, Umweltgifte und Toxine ab [3].
Gut zu wissen: Im Darm sitzt auch ein Nervensystem, das mehr Nervenzellen als das gesamte Rückenmark enthält. Wissenschaftler*innen haben vor 100 Jahren erkannt, dass Bakterien im Darm ständig mit den Neuronen im Gehirn kommunizieren. So entstand der Name „Bauchhirn“ oder zweites Gehirn. Das bekannte Bauchgefühl ist eine Intuition, ausgelöst vom zweiten Gehirn [2,5]. Lesen Sie in unserem Gesundheitsportal mehr über das Bauchhirn und die Verbindung von Gedanken, Gefühlen und Darm. Finden Sie heraus, wie Darmgesundheit und Gehirn über die sogenannte Darm-Hirn-Achse zusammenhängen.
Was bedeutet Darmgesundheit?
Zu einem gesunden Darm gehört mehr, als man im ersten Moment denkt. Führende Wissenschaftler*innen haben fünf Kriterien definiert, die „Darmgesundheit“ ausmachen [1]:
- Keine Darmkrankheiten
- Eine wirksame Verdauung und Aufnahme der Nährstoffe
- Eine normale und stabile Darmflora
- Ein starkes Immunsystem
- Allgemeines Wohlbefinden
Ihr Darm entscheidet unter anderem auch darüber, ob Sie auf bestimmte Nährstoffe wie Laktose mit Unverträglichkeit reagieren und welches Essen Allergien hervorruft.
Woran erkenne ich einen gesunden Darm?
Folgende Anzeichen deuten auf einen gesunden Darm hin:
- einmal bis dreimal Stuhlgang am Tag
- geformter Stuhl
- keine Verstopfungen
- flacher, nicht aufgeblähter Bauch
- wenig Blähungen
- keine Beschwerden nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel
Was sind die Symptome einer gestörten Darmflora?
Herrscht ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten und Stämmen von Bakterien (der Darmflora), schwächt das die Abwehrkräfte im Darm. Die Folge davon können sein [4]:
- Magen-Darm-Probleme wie Blähungen, Verstopfung, Durchfall bis hin zu Entzündungsprozessen
- Darmkrankheiten
- Übergewicht
- generell geschwächte Abwehrkräfte und damit häufigere Infekte
Darmflora und Erkrankungen
Ist die Darmflora gestört oder im Ungleichgewicht, können verschiedene Erkrankungen auftreten oder bestimmte Symptome auftreten. So ist wenig verwunderlich, dass das Reizdarmsyndrom mit der Darmflora verknüpft ist. Mittlerweile können bei der Diagnose Probiotika verschrieben werden [27]. Auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen scheinen mit der Darmflora zusammenzuhängen. Ihr Einfluss ist noch nicht ausreichend erforscht, allerdings haben Betroffene meistens zu viele „schlechte“ Bakterien und damit auch ein geschwächtes Immunsystem [28], [29], [30].
Die Darmgesundheit steht im gegenseitigen Einfluss zur Psyche. So kann sich die Darmflora durch Stress verändern [31]. Es gab schon erste Ergebnisse, in denen Probiotika bei Depressionen halfen, doch sind weitere Studien nötig, um das zu bestätigen [32].
Wie Darmgesundheit und Haut miteinander verbunden sind, muss ebenfalls weiter erforscht werden. Allerdings gibt es erste Studien, die zeigen, dass sich eine Probiotika-Einnahme bei Neurodermitis die Symptome lindern konnte [4].
Die Darmgesundheit kann auch auf Menstruationsbeschwerden Einfluss nehmen. Das weibliche Sexualhormon Östrogen wirkt auf die Darmflora und kann Bauchschmerzen und Durchfälle auslösen. Andersherum beeinflusst die Darmflora den Östrogenspiegel, indem dieser durch eine geringere Bakterienvielfalt gesenkt wird. Erste Studien zeigen, dass das Darmmikrobiom im Zusammenhang mit menstrualen Erkrankungen, wie der Endometriose stehen kann [33].
Darmgesundheit testen
In Stuhluntersuchungen können Labore feststellen, welche Arten von Bakterien in der Probe vorkommen. Sie können mit einem solchen Darmflora-Test etwa die Zusammensetzung der unterschiedliche Bakterienstämme analysieren und wie es um die Balance zwischen "guten" und "schlechten" Bakterien steht. Eine höhere Diversität (Vielfalt) von Darmbakterien wird zudem mit einer besseren Darmgesundheit in Verbindung gebracht.
Relevant ist dabei auch die Anzahl der Laktobazillen und Bifidobakterien, durch die Sie Hinweise erhalten, mit welchen Probiotika und Lebensmitteln Sie Ihre Darmflora am besten stärken könnten.
Außerdem kann eine Analyse von Darmpilzen spannend sein. Pilze, wie der Hefepilz Candida albicans, gehören zwar wie Bakterien auch zur Darmflora, sie können aber überhand nehmen und das Gleichgewicht im Darm durcheinanderbringen.
Wie verbessere ich meine Darmgesundheit?
Die Darmflora ist komplex und Wissenschaftler*innen haben noch längst nicht alle Geheimnisse um sie gelöst. Es gibt jedoch einige Faktoren, mit denen Sie nach dem Stand der Forschung Ihre Darmgesundheit unterstützen können [2]:
- Bewegen Sie sich regelmäßig.
- Vermeiden Sie chronischen Stress.
- Ernähren Sie sich gesund: mit vielen Ballaststoffen und dem entzündungshemmenden Omega-3, dafür wenig Zucker und gesättigte Fettsäuren sowie Fertigprodukte
- Bauen Sie regelmäßig probiotische Lebensmittel, Präbiotika und resistente Stärke in den Speiseplan ein.
- Vermeiden Sie Übergewicht.
Wenn Sie Ihre guten Darmbakterien nach einer Antibiotikabehandlung wieder aufbauen möchten, empfehlen wir Ihnen unseren Artikel zum Thema Darmsanierung.
Darmgesundheit und Abnehmen: Unsere Darmbakterien verwerten die Nahrung, die wir zu uns nehmen. Sie machen daraus Fette, Vitamine und Mineralstoffe, die unser Körper für die verschiedensten Aufgaben nutzen kann. Veränderungen der Darmflora beeinflussen die Art und Weise, wie unser Körper die Nahrung verarbeitet. Dementsprechend verändert sich die Darmflora auch, wenn Sie zu- oder abnehmen [1], [19].
Quellen
[1] S. C. Bischoff, „‚Gut health‘: a new objective in medicine?“, BMC Med, Bd. 9, S. 24, März 2011, doi: 10.1186/1741-7015-9-24.
[2] D. Haller und G. Hörmannsperger, „Aufbau und Funktionen des Darmes“, in Darmgesundheit und Mikrobiota, Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2015, S. 3–12. doi: 10.1007/978-3-658-07648-1_2.
[3] H.-K. Biesalski, P. Grimm, und S. Nowitzki-Grimm, Taschenatlas Ernährung, 7., Unveränderte Auflage. Stuttgart New York: Georg Thieme Verlag, 2017.
[4] H.-K. Biesalski und M. Adolph, Hrsg., Ernährungsmedizin: nach dem neuen Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer ; 276 Tabellen, 4., Vollst. überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2010.
[5] „Darmgesundheit_mehr_als_nur_eine_gute_Verdauung_final.pdf“. Zugegriffen: 9. Juli 2018. [Online]. Verfügbar unter: http://www.dgmim.de/fileadmin/CONTENT/Darmgesundheit_mehr_als_nur_eine_gute_Verdauung_final.pdf
[6] „See How Bacteria Plays a Role in Depression, Obesity, Spinal Cord Recover + More Conditions“, Dr. Axe, 22. Oktober 2016. https://draxe.com/gut-bacteria-benefits/ (zugegriffen 16. Juli 2018).
[7] K. Honda und D. R. Littman, „The microbiome in infectious disease and inflammation“, Annu. Rev. Immunol., Bd. 30, S. 759–795, 2012, doi: 10.1146/annurev-immunol-020711-074937.
[8] H. Kasper und W. Burghardt, Ernährungsmedizin und Diätetik, 12., Überarb. Aufl. München: Elsevier, Urban & Fischer, 2014.
[9] A. Savadogo, A. C. Ouattara, H. I. Bassole, und S. A. Traore, „Bacteriocins and lactic acid bacteria - a minireview“, African Journal of Biotechnology, Bd. 5, Nr. 9, Art. Nr. 9, 2006, doi: 10.4314/ajb.v5i9.42771.
[10] A. Tanca u. a., „Potential and active functions in the gut microbiota of a healthy human cohort“, Microbiome, Bd. 5, Nr. 1, S. 79, Juli 2017, doi: 10.1186/s40168-017-0293-3.
[11] A. Nishida, R. Inoue, O. Inatomi, S. Bamba, Y. Naito, und A. Andoh, „Gut microbiota in the pathogenesis of inflammatory bowel disease“, Clin J Gastroenterol, Bd. 11, Nr. 1, S. 1–10, Feb. 2018, doi: 10.1007/s12328-017-0813-5.
[12] H. Kasper und W. Burghardt, Ernährungsmedizin und Diätetik, 12., Überarb. Aufl. München: Elsevier, Urban & Fischer, 2014.
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[19] Gerald Rimbach, Jennifer Nagursky, Helmut F. Erbersdobler, Lebensmittel-Warenkunde für Einsteiger. Springer-Verlag.
[20] K. Honda und D. R. Littman, „The microbiome in infectious disease and inflammation“, Annu Rev Immunol, Bd. 30, S. 759–795, 2012, doi: 10.1146/annurev-immunol-020711-074937.
[21] J. Bätzing-Feigenbaum, M. Schulz, M. Schulz, R. Hering, J. G. Miralles, und W. V. Kern, „Entwicklung des Antibiotikaverbrauchs in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung“.
[22] S. C. Bischoff, B. Koletzko, H. Lochs, R. Meier, und und das D. S. Committee, „S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für klinische Ernährung der Schweiz (GESKES), der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für klinische Ernährung (AKE) und der Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)“, Aktuelle Ernährungsmedizin, Bd. 39, Nr. 3, S. e72–e98, Juni 2014, doi: 10.1055/s-0034-1370084.
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[29] D. Haller, „Nutrigenomics and IBD: the intestinal microbiota at the cross-road between inflammation and metabolism“, J Clin Gastroenterol, Bd. 44 Suppl 1, S. S6-9, Sep. 2010, doi: 10.1097/MCG.0b013e3181dd8b76.
[30] X.-R. Xu, C.-Q. Liu, B.-S. Feng, und Z.-J. Liu, „Dysregulation of mucosal immune response in pathogenesis of inflammatory bowel disease“, World J Gastroenterol, Bd. 20, Nr. 12, S. 3255–3264, März 2014, doi: 10.3748/wjg.v20.i12.3255.
[31] J. A. Foster, „Gut feelings: bacteria and the brain“, Cerebrum, Bd. 2013, S. 9, 2013.
[32] R. Huang, K. Wang, und J. Hu, „Effect of Probiotics on Depression: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials“, Nutrients, Bd. 8, Nr. 8, S. 483, Aug. 2016, doi: 10.3390/nu8080483.
[33] R. Siddiqui, Z. Makhlouf, A. M. Alharbi, H. Alfahemi, und N. A. Khan, „The Gut Microbiome and Female Health“, Biology, Bd. 11, Nr. 11, Art. Nr. 11, Nov. 2022, doi: 10.3390/biology11111683.