Folsäure gehört zu den essentiellen Vitaminen: Der Mensch kann sie nicht selbst herstellen, sondern muss sie regelmäßig über die Nahrung aufnehmen. Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch sollten besonders auf ihre Folsäure-Versorgung achten.
Neuralrohrdefekte gehören zu den häufigsten Geburtsfehlern – in Deutschland treten pro 1.000 Neugeborenen jedes Jahr ein bis zwei Fälle auf. Die Ursache ist in der Regel eine mangelhafte Folsäureversorgung der Mutter [1].
Um das zu vermeiden, empfehlen Ärzt*innen Frauen mit Kinderwunsch, Schwangeren und Stillenden, Nahrungsergänzungsmittel mit Folsäure einzunehmen. Schwangere haben auch einen erhöhten Bedarf des Vitamins. Die meisten anderen Menschen können ihren Bedarf über eine ausgewogene Ernährung decken.
Was ist Folsäure?
Folsäure gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen. Das bedeutet, dass der Körper Folsäure nicht gut speichern kann und wir sie regelmäßig über die Nahrung zuführen müssen. Folsäure wird oft auch als Vitamin B9 oder Folat bezeichnet.
Gibt es einen Unterschied zwischen Folsäure und Folat?
Die beiden Begriffe “Folsäure” und “Folat” werden oft als Synonyme verwendet, doch sie haben unterschiedliche Bedeutungen: Folat ist die Bezeichnung für das natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommende Vitamin B9. Das künstlich hergestellte Vitamin B9 wird hingegen Folsäure genannt [2].
Folat und Folsäure unterscheiden sich in ihrer Bioverfügbarkeit. Das bedeutet, dass die Einnahme der gleichen Menge an Folsäure oder Folat nicht immer in gleicher Menge vom Körper aufgenommen werden kann. Die synthetisch hergestellte Folsäure kann vom Körper sehr gut aufgenommen werden, während Folat durchschnittlich nur zu circa 50 Prozent aufgenommen wird. Abhängig ist das auch vom jeweiligen Lebensmittel [3].
Wozu braucht der Körper Folsäure?
Folsäure ist für alle Menschen wichtig. Der Körper braucht sie für die Produktion roter Blutzellen, die für den Transport von Sauerstoff im Blut zuständig sind. Ein Mangel kann zu einer sogenannten Blutarmut (Anämie) führen. Dabei kann es zu Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche und Hautblässe kommen.
Zudem ist Folsäure wichtig für die Synthese und die Reparatur von DNA sowie Prozesse der Zellteilung.
Warum ist Folsäure in der Schwangerschaft so wichtig?
Der Folsäure-Bedarf ist bei Schwangeren und Stillenden erhöht. Ursache dafür ist, dass werdende Mütter die Folsäure, die sie aufnehmen, mit dem ungeborenen Baby teilen müssen.
Die Folsäure spielt für das Ungeborene schon ganz früh in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle. Vier Wochen nach der Befruchtung der Eizelle schließt sich nämlich das sogenannte Neuralrohr. Aus diesem bilden sich später das Rückenmark und das Gehirn aus [4]. Bei einer Unterversorgung mit Folsäure kann es zu Fehlbildungen des ungeborenen Babys kommen.
Wussten Sie schon? Bis zur achten Schwangerschaftswoche nennt man das Ungeborene Embryo, ab der neunten Schwangerschaftswoche bis zur Geburt bezeichnet man es hingegen als Fötus.
Nur die Hälfte der Schwangeren nimmt Folsäure und Jod gemäß den Empfehlungen.
Wie viel Folsäure braucht mein Körper?
Die Empfehlungen für die tägliche Aufnahme von Folat hängt vom Alter ab.
Jugendliche und Erwachsene sollten 300 Mikrogramm Folat pro Tag aufnehmen, während die Empfehlung für Schwangere und Stillende höher ist. Schwangere sollten 550 Mikrogramm und Stillende 450 Mikrogramm Folat-Äquivalente pro Tag aufnehmen [2].
Dieselbe Menge Folat und Folsäure wird in unterschiedlichen Mengen vom Körper aufgenommen. Der Körper nimmt die synthetisch hergestellte Folsäure sehr gut auf, das Folat aber nur zu circa 50 Prozent.
Um den Körper jeweils mit der gleichen Menge Vitamin B9 zu versorgen, müssten Sie also doppelt so viel Folat aus Lebensmitteln wie künstlich hergestellte Folsäure aufnehmen. Damit die verschiedenen Formen von Folat und Folsäure besser vergleichbar sind, gibt es den Begriff “Folat-Äquivalente”. Das bedeutet folgendes:
1 Mikrogramm Folat-Äquivalent
= 1 Mikrogramm Folat
= 0,5 Mikrogramm Folsäure
Wie viel Folsäure brauche ich in welchem Alter?
Jugendliche und Erwachsene können ihren Folsäurebedarf über Lebensmittel in der Regel gut decken. Rein theoretisch ist das auch für Schwangere und Stillende möglich. Allerdings müssen Sie dann sehr gezielt darauf achten, Lebensmittel zu essen, die besonders reich an Folat sind. Die Empfehlung ist deswegen: Schwangere und Stillende sollten Folsäure zusätzlich über Nahrungsergänzungsmittel einnehmen [2],[6].
Es ist auch möglich, zu viel Folat zu sich zu nehmen, auch wenn das über die Ernährung kaum passieren kann. Für Nahrungsergänzungsmittel gibt es Empfehlungen für eine Obergrenze: Schwangere Frauen, die 19 Jahre und älter sind, sollten höchstens 1 Mikrogramm Folsäure pro Tag durch Supplemente und angereicherte Lebensmittel aufnehmen.
Für Frauen zwischen 14 und 18 Jahren liegt die obere Aufnahmegrenze bei 800 Mikrogramm pro Tag.
Tabelle: Folat-Tagesbedarf nach Alter
Alter |
Folat in ug-Äquivalent pro Tag |
0-4 Monate |
60 |
4-12 Monate |
80 |
1 - 4 Jahre |
120 |
4 - 7 Jahre |
140 |
7 - 10 Jahre |
180 |
10 - 13 Jahre |
240 |
ab 13 Jahren |
300 |
Schwangere |
550 |
Stillende |
450 |
Welche Lebensmittel enthalten besonders viel Folsäure?
Lebensmittel, die besonders hohe Mengen Folat enthalten, sind: Vollkornprodukte, Rosenkohl, Sprossen, Nüsse und grünes Blattgemüse, wie beispielsweise Spinat.
Übrigens: Wenn Sie folatreiche Lebensmittel zu stark und lang erhitzen, können bis zu 90 Prozent des Nährstoffs verloren gehen [6]. Unser Tipp: Gemüse nur kurz und unzerkleinert waschen, anschließend roh verzehren oder dünsten. Speisen nicht warm halten!
Ursachen eines Folsäuremangels
Nicht nur Schwangere und Stillende sind eventuell von einem Folsäuremangel betroffen. Ein Folsäuredefizit kommt häufig auch bei folgenden Personengruppen vor:
- Ältere Menschen
- Menschen mit Nierenerkrankungen
- Menschen mit Störung der Folsäure-Absorption [7].
Ist ein Folsäuremangel bekannt, können Sie besonders folathaltige Lebensmittel essen, wie oben genannt. oder Sie greifen zu Folsäurepräparaten, um die Aufnahme zu erhöhen. Dabei sollten Sie beachten, dass Folat (die natürliche Form in Lebensmitteln) und Folsäure (die synthetisch hergestellte Form) eine unterschiedliche Bioverfügbarkeit haben. Um die gleiche Menge Vitamin B9 aufzunehmen, müsste im Vergleich zur Folsäure also die doppelte Menge Nahrungsfolat aufgenommen werden.
Wie kann man einem Folsäuremangel vorbeugen?
Wissenschaftler*innen diskutieren schon seit einiger Zeit, ob es sinnvoll wäre, Grundnahrungsmittel mit Folsäure anzureichen. Dabei geht es auch um die Versorgung mit Folat in Europa. Zum Beispiel ergab die Nationale Verzehrsstudie II, dass die Versorgung mit Folsäure in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2007 zu gering war: So erreichten Männer im Mittel nur 207 Mikrogramm und Frauen 184 Mikrogramm anstatt der empfohlenen 300 Mikrogramm [6].
Allerdings kam das Bundesinstitut für Risikobewertung für Deutschland im Jahr 2017 zu dem Schluss, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung (fast 90 Prozent) trotzdem eine sehr gute Versorgung mit Folat aufweist [6].
Wussten Sie schon? In den USA und Kanada wird Folsäure dem Mehl zugesetzt. Seitdem hat sich dort die Anzahl der Neuralrohrdefekte stark reduziert [6].
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat analysiert, ob auch in Deutschland Grundnahrungsmittel wie Mehl mit Folsäure angereichert werden sollten. Dabei kam man zu dem Schluss, dass die Nachteile größer seien als die Vorteile. Von einer Anreicherung würden nur schwangere und stillende Frauen profitiere. Außerdem könnte eine grundsätzliche Anreicherung dazu führen, dass einige Menschen zu viel Folsäure zu sich nehmen [6].
Was passiert bei einer Überdosis Folsäure?
Eine zu hohe Aufnahme von Folsäure kann bei Personen, die ausreichend versorgt sind, auch negative Auswirkungen haben. So kann beispielsweise die Entwicklung von Krebserkrankungen gefördert werden [6].
Eine negative Auswirkung einer zu hohen Folataufnahme ist, dass ein möglicher Vitamin-B12-Mangel nicht erkannt wird, was zu einer Erkrankung der Nerven, der sogenannten Neuropathie, führen kann. Zudem kann auch das Risiko steigen, an Prostatakrebs zu erkranken [8].
Kann zu viel Folsäure meinem Baby schaden?
Insgesamt ist die Studienlage dazu, welche genauen Folgen eine zu hohe Einnahme von Folsäure auf die Mutter und das Kind hat, nicht eindeutig. Studien berichten von einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer Gaumenspalte, eine Fehlgeburt, eine beeinträchtigte psychomotorische Entwicklung und Atemwegsprobleme in der Kindheit. Zudem wird eine zu hohe Einnahme von Folsäure mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht [9].
Kinderwunsch und Folsäure
Bei einem bestehenden Kinderwunsch sollten Sie bereits besonders auf die Versorgung mit Folsäure achten. Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Bedarf an Folsäure. Schließlich müssen Schwangere die Folsäure, die sie aufnehmen, mit dem ungeborenen Baby teilen.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen eines Folsäuremangels zählt der Neuralrohrdefekt. Davon betroffen können das Gehirn oder das Rückenmark sein. Solch ein Defekt entsteht, wenn sich das Neuralrohr des ungeborenen Babys während der Schwangerschaft nicht richtig verschließt [11].
Die häufigsten Folgen eines Neuralrohrdefektes sind der offene Rücken und die sogenannte Anencephalie [12].
Bei einem offenen Rücken (sogenannte Spina bifida) liegt ein Defekt der Wirbelsäule und oft auch des Rückenmarks vor. Der offene Rücken kann mit einigen Symptomen und Problemen einhergehen. Meist ist die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Personen eingeschränkt. So kann es beispielsweise zu einer Fehlstellung der Füße, einer Skoliose und einer eingeschränkten Beweglichkeit der Gelenke kommen [10].
Bei einer Anencephalie fehlen Teile des Gehirns und des Schädels [12].
Um solche Ereignisse zu verhindern, wird Frauen mit Kinderwunsch schon vor einer Schwangerschaft empfohlen, Folsäure einzunehmen.
Folsäure - Auf einen Blick
Was ist Folsäure?
Folsäure ist ein essentielles Vitamin. Es wird für die Produktion von roten Blutkörperchen, die Synthese und Reparatur von DNA sowie Prozesse der Zellteilung benötigt. Bei Schwangeren ist Folsäure sehr wichtig für die Neuralrohrbildung des Embryos.
Wer hat einen Folsäuremangel?
Besonders Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende sollten auf eine ausreichende Folsäureversorgung achten, außerdem Ältere und Menschen mit Nierenproblemen.
Was ist der Unterschied zwischen Folsäure und Folat?
Vitamin B9, das natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommt, wird Folat genannt. Das synthetisch hergestellte Vitamin wird als Folsäure bezeichnet.
Welche Lebensmittel sind reich an Folat?
Vollkornprodukte, Sprossen, Rosenkohl, Nüsse und grünes Blattgemüse, wie zum Beispiel Spinat, sind besonders reich an Folsäure.
Quellen
[1] „Neuralrohrdefekt: Mangel an Folsäure bei Frauen in Deutschland - WELT“. https://www.welt.de/gesundheit/article149411138/Wie-Folsaeure-das-Leben-des-Babys-retten-kann.html (zugegriffen Mai 25, 2021).
[2] „Ausgewählte Fragen und Antworten zu Folat“. https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/folat/?L=0 (zugegriffen Mai 25, 2021).
[3] „EU09_538_544.qxd.pdf“. Zugegriffen: Mai 25, 2021. [Online]. Verfügbar unter: https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2007/09_07/EU09_538_544.qxd.pdf
[4] „Neuralrohr“. https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/neuralrohr/8482 (zugegriffen Mai 25, 2021).
[5] „Folic acid: Importance, deficiencies, and side effects“, März 11, 2020. https://www.medicalnewstoday.com/articles/219853 (zugegriffen Juni 01, 2021).
[6] Bundesinstitut Für Risikobewertung, „Nutzen-Risiko-Abwägung einer flächendeckenden Anreicherung von Mehl mit Folsäure: Stellungnahme Nr. 027/2017 des BfR vom 13. September 2017“, Sep. 2017, doi: 10.17590/20170913-100236.
[7] W. Herrmann und R. Obeid, „Functions and Deficiencies of B-Vitamins (and Their Prevention)“, in International Encyclopedia of Public Health (Second Edition), S. R. Quah, Hrsg. Oxford: Academic Press, 2017, S. 199–203. doi: 10.1016/B978-0-12-803678-5.00166-1.
[8] R. Pieroth, S. Paver, S. Day, und C. Lammersfeld, „Folate and Its Impact on Cancer Risk“, Curr. Nutr. Rep., Bd. 7, Nr. 3, S. 70–84, 2018, doi: 10.1007/s13668-018-0237-y.
[9] C. D. Dolin, A. L. Deierlein, und M. I. Evans, „Folic Acid Supplementation to Prevent Recurrent Neural Tube Defects: 4 Milligrams Is Too Much“, Fetal Diagn. Ther., Bd. 44, Nr. 3, S. 161–165, 2018, doi: 10.1159/000491786.
[10] S. K. SE, „Spina bifida: Ursachen, Symptome & Diagnostik“. https://www.schoen-klinik.de/spina-bifida (zugegriffen Juni 01, 2021).
[11] „Ausgewählte Fragen und Antworten zu Folat“. https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/folat/?L=0 (zugegriffen Juni 01, 2021).
[12] CDC, „Facts about Neural Tube Defects“, Centers for Disease Control and Prevention, Aug. 29, 2019. https://www.cdc.gov/ncbddd/birthdefects/facts-about-neural-tube-defects.html (zugegriffen Juni 01, 2021).