Wer im Kindesalter schon stark übergewichtig ist, leidet oftmals auch im Erwachsenenalter an überschüssigen Kilos. Der Grundstein für ein zu hohes Gewicht wird oft schon im Mutterleibt gelegt. Genug Bewegung und die richtige Ernährung helfen auf dem Weg zum gesunden Körpergewicht.
In Deutschland ist neuesten Untersuchungen zufolge mehr als jedes vierte Kind zwischen fünf und 17 Jahren übergewichtig. Bei fast jedem zehnten Kind ist das Übergewicht so ausgeprägt, dass Ärzt*innen von einer Fettleibigkeit sprechen, der Adipositas. Expert*innen betonen, dass fettleibige Kinder mit einer fünfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter mit starkem Übergewicht zu kämpfen haben. Verantwortlich sind neben dem Bewegungsmangel vieler Kinder auch die Ernährung, der Medienkonsum und die genetische Veranlagung [2].
Was ist das Idealgewicht für Kinder?
Starkes Übergewicht liegt dann vor, wenn der Körperfettanteil bezogen auf die Gesamtkörpermasse erhöht ist. Da die Messung des Fettanteils aufwendig und teuer ist, wird standardmäßig der Body-Mass-Index (BMI) ermittelt. Er errechnet sich aus Körpergewicht und Körpergröße.
Da Kinder ständig wachsen, ist der BMI bei ihnen schwer anwendbar. Deswegen verwendet man die sogenannten Perzentilen- oder Wachstumskurven. Auf diesen Kurven können Sie prüfen, ob sich Größe und Gewicht Ihres Kindes für sein Alter normal entwickeln.
Die Perzentile stehen dafür, in welchem Prozentbereich sich das Kind im Vergleich zu seinen Altersgenoss*innen befindet. Liegt Ihr Kind im 90. Perzentil für Gewicht bedeutet das, dass 90 Prozent der Kinder im selben Alter weniger wiegen und zehn Prozent schwerer sind [3].
Je nach dem Perzentil Ihres Kindes lässt es sich grob Gewichtsklassen zuteilen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert diese Einteilung so [4]:
- Untergewicht unter dem 10. Perzentil
- Normalgewicht 10. bis 90. Perzentil
- Übergewicht 90. bis 97. Perzentil
- Adipositas über dem 97. Perzentil
Kinder- und Hausärzt*innen können an den Wachstums- und Gewichtskurven also ablesen, ob Ihr Kind vermutlich an Unter- oder Übergewicht leidet. Sie beziehen aber noch andere Faktoren mit ein – ist Ihr Kind zum Beispiel sehr groß für sein Alter, ist es nicht ungewöhnlich, wenn es sich auch in einem hohen Perzentil für sein Gewicht bewegt.
Nach einer Untersuchung des Robert Koch Instituts ist Übergewicht bei Kindern in Deutschland deutlich weiter verbreitet als Untergewicht: Lediglich 1,6 Prozent der 5- bis 17-Jährigen sind untergewichtig, aber 26,8 Prozent übergewichtig und 8,8 Prozent fettleibig [1].
Tipp: Lesen Sie in unserem Gesundheitsportal mehr über eine gesunde Ernährung für Kinder.
Ursachen für Übergewicht bei Kindern
Wie viel Energie und somit Essen ein Kind braucht, wird oftmals überschätzt. Neben gesüßten Getränken sind zu große und nicht kindgerechte Portionen eine häufige Ursache.
Kinder müssen sich deutlich weniger Kilokalorien zuführen als die meisten vermuten: Eine erwachsene Frau hat einen Tagesbedarf von etwa 2000 Kilokalorien, bei Mädchen im Alter von ein bis vier Jahren liegt er bei etwa 1000 Kilokalorien. Bei vier bis sieben Jährigen erhöht er sich um 250 Kilokalorien, ab 7 Jahren dann auf 1600 Kilokalorien [5].
Altersgerechter Energiebedarf bei Kindern [6] |
|
Alter (Jahre) |
Gesamtenergie (kcal/Tag) |
4-6 |
1250 |
7-9 |
1600 |
10-12 |
1900 |
13-14 |
1950 (w) / 2400 (m) |
15-18 |
2200 (w) / 2700 (m) |
Wodurch entsteht Übergewicht?
Übergewicht entsteht nicht von heute auf morgen. Geben wir unserem Körper über einen längeren Zeitraum mehr als er verbraucht, nehmen wir zu. Untersuchungen zeigen, dass selbst bei Schulkindern schon 50 Kilokalorien zu viel am Tag innerhalb von vier Jahren zu Übergewicht führen können.
Neben der Ernährung ist für den Verbrauch der überschüssigen Kalorien auch die Bewegung relevant. Durch den vermehrten Medienkonsum der vergangenen Jahre bewegen sich Kinder weniger verbrennen somit auch weniger Kalorien [7].
Forscher*innen betonen, dass auch die moderne Lebensmittelindustrie zur wachsenden Zahl übergewichtiger Menschen beigetragen hat [8]:
- Portionsgrößen von Convenience-Produkten werden immer größer
- Fertigprodukte haben einen hohen Kaloriengehalt
- Lebensmittel sind ständig verfügbar
- Fast-Food-Anbieter sind weit verbreitet
Tipp: Lesen Sie in unserem Gesundheitsportal, wie gesunde kalorienarme Snacks aussehen können.
Gesüßte Getränke
Als ein Hauptrisikofaktor für Übergewicht gelten gesüßte Getränke, wie Limonade, Cola, Nektar und andere Fruchtgetränke, Energy Drinks und Eistees, insbesondere aus der Nuckelflasche. Auch Obstsäfte enthalten große Mengen Zucker. Sie sollten sie Ihren Kindern nur stark verdünnt als Durstlöscher geben. Das Problem mit den Getränken ist, dass sie nicht satt machen, aber sehr viel Zucker enthalten. In einem Glas Limonade stecken bis zu zehn Zuckerwürfel [9].
Tipp: Lesen Sie in unserem Gesundheitsportal mehr darüber, ob Zuckerersatz wie Honig und Kokosblütenzucker eine Alternative sein können.
Untersuchungen und Befragungen zeigen schon seit Jahren, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von zuckerhaltigen Getränken und Übergewicht gibt. Das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei ebenfalls deutlich erhöht [10]. Die besten Durstlöscher für Kinder sind Wasser und ungesüßter Tee – beide haben Null Kalorien.
Gut zu wissen: Lightprodukte enthalten zwar kein Zucker, können aber die Vorliebe Ihres Kindes für Süßes fördern [11].
Einfluss der Mutter während der Schwangerschaft
Neuen Forschungen zufolge spielen einige wichtige Entwicklungsphasen von Kindern während der Schwangerschaft eine zentrale Rolle dabei, wie sich das Gewicht des Kindes später entwickelt – schon ab der Zeit im Mutterleib. Die Untersuchungen ergeben, dass Überernährung während der Schwangerschaft, ein hohes Geburtsgewicht (über 4500 Gramm), Schwangerschaftsdiabetes und ein Kaiserschnitt das Risiko von Übergewicht erhöhen. Aber auch ein zu geringes Geburtsgewicht (weniger als 2500 Gramm), zu wenig Essen und frühzeitige Beikost zählen dazu.
Auf der anderen Seite verringert Stillen die Vorliebe für Süßes und beeinflusst das Essverhalten positiv. Eine ausschließliche Stilldauer von vier bis sechs Monaten ist die beste Maßnahme, um Ihr Kind vor Übergewicht und weiteren Erkrankungen zu schützen [12].
Bewegung
Viel Bewegung und körperliche Aktivität sind nicht nur für Erwachsene wichtig. Auch Kinder, unabhängig von ihrem Gewicht, sollten sich austoben können. Denn Bewegung verbraucht Energie, baut Stress ab, stärkt die Psyche des Kindes und ist an der Entwicklung eines gesunden Körpers beteiligt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung betont, dass Kinder sich gar nicht zu viel bewegen können. Kindergartenkinder (vier bis sechs Jahre) sollten sich sogar mindestens drei Stunden und Schulkinder (sechs bis 18 Jahre) mindestens anderthalb Stunden am Tag bewegen [5].
Gut zu wissen: Zur Bewegungszeit zählt jede Form der körperlichen Aktivität. Das sind auch schon Bewegungen im Alltag, wie der Fußweg zur Kita, Rad fahren oder Roller treten.
Medienkonsum
Die Nutzung von Handy, Computer und Fernseher ist aus dem Alltag der meisten Familien nicht mehr wegzudenken. Das lange Sitzen ist allerdings einer der vielen Gründe, warum der Medienkonsum bei Kindern mit zum Übergewicht beiträgt. Essen vor dem Fernseher oder mit dem Handy in der Hand hält zwar die Kinder still, führt aber auch dazu, dass sie Gegessenes nicht wahrnehmen und deutlich größere Portionen essen.
Generell empfehlen die ärztlichen Leitlinien, dass Kindern erst ab drei Jahren Fernseher und Co. nutzen dürfen und auch dann maximal für 30 Minuten am Tag, Schulkinder maximal 60 Minuten. Expert*innen betonen: Kinder sollten so wenig Zeit wie möglich vor Bildschirmen verbringen [6].
Gut zu wissen: Unterschätzen Sie nicht die Werbung für Lebensmittel auf Kindersendern. Sie können die Kinder auf spezielle Marken und gesüßte Lebensmittel prägen.
Was tun bei Übergewicht bei Kindern?
Eltern haben bei Kindern eine Vorbildfunktion, insbesondere im Kleinkindalter. Starten Sie gemeinsam mit Ihren Kindern Schritt für Schritt eine Umstellung der Ernährung. Nehmen Sie sich dabei kleine erreichbare Ziele vor. Planen Sie Familienausflüge mit viel Bewegung und wenig Raum für Handys und Tablets. Ernährungsberater*innen können Sie bei der Umstellung unterstützen.
Sie wollen mit gutem Vorbild vorangehen und selbst Gewicht verlieren? Lesen Sie mehr dazu in unserem Artikel über Abnehmen und Diäten.
Seit 2015 fördert das Bundesministerium für Gesundheit Maßnahmen, um Übergewicht bei Kindern zu behandeln und zu verhindern. Verschiedene Programme schulen die Kinder spielerisch in den Themen Ernährung, Bewegung und Verhalten und in dem Umgang mit Stress und Medien. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, ob ein Programm zum Abnehmen für Ihr Kind in Frage kommt. Auch Krankenkassen bieten unterschiedliche Maßnahmen an, die speziell auf Kinder ausgerichtet sind.
Tipp: Hier finden Sie Nahrungsergänzungsmittel und andere Produkte rund um das Thema Kindergesundheit.
Übergewicht bei Kindern – Auf einen Blick
Wann ist mein Kind übergewichtig?
Bei Kindern wird Übergewicht anhand einer Wachstumskurve in Perzentilen bestimmt. Ab der 90. Perzentile gilt ein Kind als übergewichtig.
Was sind die Ursachen für Übergewicht bei Kindern?
Gesüßte Getränke, zu große Portionen und Bewegungsmangel sind die häufigsten Gründe für Übergewicht bei Kindern. Zuckerreiche Getränke liefern viel Zucker und somit viele Kalorien, tragen aber nicht zu Sättigung des Kindes bei. Am besten eignen sich ungesüßter Tee oder Wasser. Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang und sollten dem auch nachgehen können.
Wie kann ich bei meinem Kind Übergewicht vorbeugen?
Sie können Übergewicht beim Kind schon in der Schwangerschaft vorbeugen. Ein übermäßige Gewichtszunahme, Gestationsdiabetes und Mangelernährung können die Entwicklung von Übergewicht fördern. Stillen dagegen ist eine der effektivsten Schutzmaßnahmen.
Quellen
[1] A. Schienkiewitz, S. Damerow, und A. Schaffrath Rosario, „Prävalenz von Untergewicht, Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Einordnung der Ergebnisse aus KiGGS Welle 2 nach internationalen Referenzsystemen“, Sep. 2018, doi: http://dx.doi.org/10.17886/RKI-GBE-2018-080.
[2] D. I’Allemand u. a., „Cardiovascular risk in 26,008 European overweight children as established by a multicenter database“, Obesity (Silver Spring), Bd. 16, Nr. 7, S. 1672–1679, Juli 2008, doi: 10.1038/oby.2008.259.
[3] H. Neuhauser, A. Schienkiewitz, A. S. Rosario, R. Dortschy, und B.-M. Kurth, „Referenzperzentile für anthropometrische Maßzahlen und Blutdruck aus der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS)“, Robert Koch-Institut, report, Aug. 2013. doi: http://dx.doi.org/10.25646/3179.
[4] R. C. Whitaker, J. A. Wright, M. S. Pepe, K. D. Seidel, und W. H. Dietz, „Predicting Obesity in Young Adulthood from Childhood and Parental Obesity“, N Engl J Med, Bd. 337, Nr. 13, S. 869–873, Sep. 1997, doi: 10.1056/NEJM199709253371301.
[5] Deutsche Gesellschaft für Ernährung, „Energie“. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/energie/ (zugegriffen Juli 22, 2019).
[6] D. M. Wabitsch und D. D. Kunze, „Konsensbasierte (S2) Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter s-Konferenz der AGA am 15.10.2015“, S. 116.
[7] S. Plachta-Danielzik, B. Landsberg, A. Bosy-Westphal, M. Johannsen, D. Lange, und M. J. Müller, „Energy Gain and Energy Gap in Normal-weight Children: Longitudinal Data of the KOPS“, Obesity, Bd. 16, Nr. 4, S. 777–783, Apr. 2008, doi: 10.1038/oby.2008.5.
[8] C. Holzapfel und H. Hauner, „Außer-Haus-Verzehr, “Snacking” und XXL-Portionen: Ernährungstrends und deren Einfluss auf das Körpergewicht“, Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie, Bd. 09, Nr. 04, S. 205–209, 2015, doi: 10.1055/s-0037-1618942.
[9] P. v. Philipsborn, C. Hauck, J. Gatzemeier, B. Landsberg, und C. Holzapfel, „Süßgetränke und Körpergewicht: Zusammenhänge und Interventionsmöglichkeiten“, Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie, Bd. 11, Nr. 03, S. 140–145, 2017, doi: 10.1055/s-0037-1618965.
[10] V. S. Malik, A. Pan, W. C. Willett, und F. B. Hu, „Sugar-sweetened beverages and weight gain in children and adults: a systematic review and meta-analysis“, Am. J. Clin. Nutr., Bd. 98, Nr. 4, S. 1084–1102, Okt. 2013, doi: 10.3945/ajcn.113.058362.
[11] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, „Essen & Trinken“. https://www.uebergewicht-vorbeugen.de/so-geht-es-leichter/essen-trinken/?L=0 (zugegriffen Juli 22, 2019).
[12] A. Plagemann, „Prävention beginnt im Mutterleib“, Aktuel Ernahrungsmed, Bd. 38, Nr. S 01, S. S16–S20, März 2013, doi: 10.1055/s-0032-1332819.