In der Schwangerschaft stellt sich der Hormonhaushalt im Körper um. Während das Baby im Bauch heranwächst, muss die Schilddrüse der Mutter auf Hochtouren arbeiten. Denn die Schilddrüsenhormone kurbeln den Stoffwechsel an und sorgen über die Plazenta dafür, dass sich der Fötus körperlich und geistig richtig entwickeln kann. Ist die Schilddrüse überfordert, produziert sie nicht genug Hormone – Mediziner*innen sprechen dann von einer Schilddrüsenunterfunktion.
Lesen Sie hier, warum eine Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft für das Baby gefährlich sein kann, auf welche Symptome Schwangere achten sollten und wie man eine Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft feststellt und behandelt.
Kurzübersicht: Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft
- Während der Schwangerschaft braucht der Körper mehr Schilddrüsenhormone. Davon ist die Schilddrüse manchmal überfordert. Ist der TSH-Wert im Blut erhöht, spricht man von einer Schilddrüsenunterfunktion.
- Zu den Symptomen der Schilddrüsenunterfunktion zählen Müdigkeit, trockene Haut oder Haare, Gewichtszunahme, Konzentrationsschwäche, Muskelschmerzen und Verstopfungen.
- Aktuell ist eine routinemäßige Überprüfung der Schilddrüsenwerte für gesunde Schwangere nicht vorgeschrieben, es sei denn, es liegen bestimmte Risikofaktoren vor, Ärzt*innen vermuten bei der Schwangeren eine Schilddrüsenunterfunktion oder die Schwangere hat bereits eine Schilddrüsenunterfunktion.
- Wenn Ärzt*innen eine Schilddrüsenunterfunktion feststellen, verschreiben sie der Schwangeren das Schilddrüsenhormon Thyroxin in Tablettenform. Die Tablette ist für das Baby vollkommen ungefährlich.
- Nach der Entbindung nehmen die Frauen das Thyroxin zunächst weiter ein, die Schilddrüsenwerte werden etwa vier bis acht Wochen nach der Geburt erneut kontrolliert.
Was passiert mit der Schilddrüse in der Schwangerschaft?
Während der Schwangerschaft wächst die Schilddrüse und steigert ihre Hormonproduktion um bis zu 50 Prozent, denn sie muss den heranwachsenden Fötus im Mutterleib zunächst mitversorgen. Nur wenn der Embryo genügend Schilddrüsenhormone bekommt, kann er sich geistig und körperlich gut entwickeln [1].
Die Schilddrüse benötigt für die Hormonproduktion Jod. Weil die Schilddrüse nun mehr arbeiten muss, steigt auch der Jodbedarf der Mutter an. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt gesunden Schwangeren, täglich 230 Mikrogramm Jod aufzunehmen. Diese Menge ist über die Nahrung nicht zu schaffen, deshalb sollten Schwangere circa 150 – 200 Mikrogramm Jod täglich über Nahrungsergänzungsmittel einnehmen [2], [3].
Etwa ab der 12. Schwangerschaftswoche kann das Baby selbst Jod über die Plazenta aufnehmen und seine eigenen Schilddrüsenhormone produzieren [4].
Gut zu wissen: Auch in der Stillzeit haben Frauen einen erhöhten Jodbedarf, den sie über Nahrungsergänzungsmittel decken müssen. Wissen Sie, in welchen Lebensmitteln Jod steckt? In unserem Gesundheitsportal informieren wir Sie über Jod in Lebensmitteln und erklären, warum Jodsalz in keiner Küche fehlen sollte.
Wie kommt es zur Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft?
In manchen Fällen ist die Schilddrüse mit dem steigenden Hormonbedarf in der Schwangerschaft überfordert. Droht ein Mangel an Schilddrüsenhormonen, versucht der Körper der Frau, gegenzusteuern, und zwar mit dem Hormon Thyreotropin, besser bekannt als TSH. TSH regt die Schilddrüse dazu an, die Hormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) zu bilden. Gelingt das, liegen die Schilddrüsenhormone T3 und T4 trotz einer leichten Unterfunktion der Schilddrüse noch im Normbereich. Nur der TSH-Wert ist deutlich erhöht und zeigt, wie sehr sich die Schilddrüse anstrengen muss, um den Hormonhaushalt im Gleichgewicht zu halten. Mediziner*innen sprechen dann von einer latenten Schilddrüsenunterfunktion, bei der Mutter und Kind aber noch gut mit Hormonen versorgt werden.
Kann der Körper nicht mehr ausreichend gegensteuern, fallen auch die Werte von T3 und T4 ab. Mediziner*innen sprechen nun von einer manifesten Schilddrüsenunterfunktion, weil Mutter und Kind nicht mehr gut versorgt werden. Das kann für das ungeborene Kind gefährlich werden [5].
Welche Risiken hat eine Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft? Wenn der Fötus im Mutterleib nicht mit ausreichend Schilddrüsenhormonen versorgt wird, besteht die Gefahr, dass sich sein Gehirn nicht richtig entwickelt und es geistig behindert zur Welt kommt. Es kann auch zu Früh- oder Fehlgeburten und zu Komplikationen bei der Geburt kommen [1].
Kann man mit Schilddrüsenunterfunktion schwanger werden?
Die Schilddrüse spielt eine entscheidende Rolle für die Fruchtbarkeit und damit für die Möglichkeit, schwanger zu werden. Die Schilddrüsenhormone beeinflussen die Eizellreifung und den Ablauf des weiblichen Zyklus. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion kann es zu Zyklusstörungen kommen, wodurch Frauen oft Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden.
Daher sollten Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ihre Schilddrüsenwerte untersuchen lassen. Frauen, bei denen eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt wurde, bekommen in der Regel das Schilddrüsenhormon Thyroxin (T4) als Tablette verschrieben und können, wenn ihre Schilddrüse gut eingestellt ist, auch schwanger werden. Während der Schwangerschaft nehmen sie das Thyroxin weiter ein und Ärzt*innen kontrollieren die Schilddrüsenwerte regelmäßig [6].
Symptome bei Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft
Zu den Symptomen der Schilddrüsenunterfunktion zählen zum Beispiel Müdigkeit, trockene Haut oder Haare, Gewichtszunahme, Konzentrationsschwäche, Muskelschmerzen oder Verstopfungen [7].
Unter solchen Beschwerden leiden allerdings auch viele gesunde Frauen während einer Schwangerschaft. Wenn Sie also diese Symptome an sich feststellen, sollten Sie Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen davon erzählen, damit Ihr Hormonspiegel untersucht wird.
Wie stellt man eine Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft fest?
Um festzustellen, ob die Schilddrüse normal arbeitet, wird der TSH-Wert im Blut der Schwangeren bestimmt. Ist der TSH-Wert auffällig, können auch die Werte von T3 und T4 gemessen werden. Im ersten Schwangerschaftsdrittel sollte der TSH-Wert kleiner als 2,5 mlU/l (mU/l = Milli-Units pro Liter) sein. Im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft liegt die Grenze bei 3,0 mlU/ml [5].
Diese Grenzen sind von Fachleuten sehr niedrig angesetzt worden, damit Ärzt*innen rechtzeitig Schilddrüsenhormone verschreiben und die Babys vor gesundheitlichen Schäden bewahren können. Neue große internationale Studien zeigen aber, dass gesunde Schwangere mit TSH-Werten von 2,5 bis 4,0 mU/l kein größeres Risiko für Fehlgeburten und ihre Babys kein größeres Risiko für Fehlbildungen haben, als Schwangere mit niedrigeren TSH-Werten. Schwangere, die im ersten Schwangerschaftsdrittel einen TSH-Wert von mehr als 2,5 mlU/ml im Blut haben, sollen nach Einschätzung der Expert*innen aber sicherheitshalber weiter untersucht und ihre Werte regelmäßig kontrolliert werden [8].
Wann werden die Schilddrüsenwerte in der Schwangerschaft gemessen?
Aktuell ist eine routinemäßige Überprüfung der Schilddrüsenwerte für gesunde Schwangere nicht vorgeschrieben, viele Ärzt*innen empfehlen ihren Patientinnen aber die Untersuchung.
Gynäkolog*innen überprüfen den TSH-Wert außerdem im ersten Schwangerschaftsdrittel, wenn sie einen Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion bei der Schwangeren haben oder wenn ein oder mehrere Risikofaktoren bei der Schwangeren vorliegen [5]:
- Die Schwangere hat Schilddrüsenerkrankungen in der Familie
- Die Schwangere ist älter als 30 Jahre
- Die Schwangere hatte bereits eine Fehl- oder Frühgeburt
- Die Schwangere hat eine Autoimmunerkrankung wie Diabetes Typ 1
- Die Schwangere hat starkes Übergewicht oder Adipositas
- Die Schwangere hatte eine Schilddrüsenoperation oder Bestrahlung im Halsbereich
Wie wird eine Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft behandelt?
Wenn Ärzt*innen eine Schilddrüsenunterfunktion feststellen, verschreiben sie der Schwangeren das Schilddrüsenhormon Thyroxin in Tablettenform. Die Tablette ist für das Baby vollkommen ungefährlich. Schwangere nehmen sie täglich morgens, etwa eine halbe Stunde vor dem Frühstück, auf nüchternen Magen ein [9].
Die Ärzt*innen kontrollieren dann die Schilddrüsenwerte in regelmäßigen Abständen und passen die Thyroxin-Dosis bei Bedarf an. Auch Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft eine Schilddrüsenunterfunktion hatten, werden engmaschig kontrolliert. Meistens müssen sie im Verlauf der Schwangerschaft mehr Thyroxin einnehmen, weil der Bedarf an Schilddrüsenhormonen stetig ansteigt.
Wichtig: Nach der Geburt sollten die Frauen das Thyroxin zunächst weiter einnehmen, da der Körper auch in der Stillzeit einen höheren Bedarf an Schilddrüsenhormonen hat. Zu wenig Thyroxin könnte die Bildung der Muttermilch beeinträchtigen. Da das Baby selbst Schilddrüsenhormone produziert, gehen naturgemäß nur kleinste Mengen Thyroxin in die Muttermilch über. Sollte die Dosis für die Mutter mittlerweile zu hoch sein, beeinträchtigt das ihr Baby also nicht [10].
Die Schilddrüsenwerte der Mutter werden dann etwa vier bis acht Wochen nach der Entbindung in der gynäkologischen Praxis kontrolliert. Hatte die Frau vor der Schwangerschaft keine Schilddrüsenunterfunktion, liegen die Schilddrüsenwerte meistens wieder im Normalbereich und das Thyroxin kann abgesetzt werden. Andernfalls werden die Frauen an Ihre*n Hausärzt*in oder eine*n Endokrinolog*in überwiesen und dort weiter behandelt.
Quellen
[1] Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, „Schwangerschaft kann die Schilddrüse überfordern - Hormonexperten raten zum gezielten Funktionscheck - www.endokrinologie.net“, 9. März 2017. https://www.endokrinologie.net/pressemitteilung/schwangerschaft-kann-die-schilddruese-ueberfordern.php (zugegriffen 23. März 2023).
[2] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), „Referenzwerte Jod“. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/jod/?L=0 (zugegriffen 23. März 2023).
[3] Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), „Einheitliche Handlungsempfehlungen für die Schwangerschaft aktualisiert und erweitert“, Dezember 2018. https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/bevoelkerungsgruppen/schwangere-stillende/handlungsempfehlungen-zur-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/ (zugegriffen 23. März 2023).
[4] Internisten im Netz, „Schilddrüsenunterfunktion: Auswirkungen auf eine Schwangerschaft“, 6. Februar 2023. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schilddruesenunterfunktion/schwanger-mit-schilddruesenunterfunktion.html (zugegriffen 23. März 2023).
[5] J. Bojunga und L. Hofbauer, „Schilddrüse und Schwangerschaft“, J. Gynäkol. Endokrinol. CH, Bd. 24, Nr. 2, S. 82–92, Juni 2021, doi: 10.1007/s41975-021-00196-x.
[6] K. Poppe, P. Bisschop, L. Fugazzola, G. Minziori, D. Unuane, und A. Weghofer, „2021 European Thyroid Association Guideline on Thyroid Disorders prior to and during Assisted Reproduction“, Eur Thyroid J, Bd. 9, Nr. 6, S. 281–295, Feb. 2021, doi: 10.1159/000512790.
[7] Internisten im Netz, „Schilddrüsenunterfunktion: Anzeichen, Symptome & Auswirkungen“, 6. Februar 2023. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schilddruesenunterfunktion/anzeichen-symptome.html (zugegriffen 23. März 2023).
[8] Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN), „Schilddrüse: TSH-Wert im oberen Normbereich keine Gefahr für das Baby“. Mai 2020. [Online]. Verfügbar unter: https://www.berufsverband-nuklearmedizin.de/fileadmin/user_upload/Pressemitteilung_BDN_Schwangerschaft_und_Schilddr%C3%BCse_April_2020.pdf
[9] Berufsverband Deutscher Internisten e.V., „Schilddrüsenunterfunktion: Tipps für Patient:innen“, Internisten im Netz, 6. Februar 2023. https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schilddruesenunterfunktion/tipps-fuer-patienten.html (zugegriffen 27. März 2023).
[10] Charité Berlin, „Embryotox - Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit: Thyroxin“. https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/thyroxin/ (zugegriffen 27. März 2023).